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„Wir brauchen eine Welt, in der wir träumen können“

Dass ich einmal der Kunst wegen eine Reise mache, das hätte ich mir auch nicht träumen lassen! Die Chance, mehrere Interviews mit außergewöhnlichen Künstlern zu machen, bekommt man nicht alle Tage und so ist es mir eine besondere Ehre, die Geschichten von tollen Menschen hier erzählen zu dürfen.

Schon beim Eintreten in das wunderschöne Gästehaus Il Monticello in Grasse war ich von Kunst umgeben, wie Ihr im ersten Teil meines Blogbeitrages lesen könnt. Gastgeberin Gucky Bridant ist eine Bohemian, die seit Jahrzehnten Kunstwerke sammelt und selbst malt. Sie ist es letztlich dann auch, die mir John Mejia vorstellt hat, den Ausnahmekünstler, der mit seiner „Blitzzeichnung“ des Nizza-Attentats 2016 durch die Decke ging und um dessen Porträts sich momentan Fußballstars wie Zinedine Zidane oder Ronaldinho reißen. Aber auch der Besuch bei Kunsthistorikerin Marie-Theres Michel in ihrem Haus in Mouans-Sartoux, ihr Engagment für Künstler während der Corona-Krise und ihr Art-Talk über Künstlerin Niki de Saint-Phalle waren außergewöhnlich und prägten meine Reise.

Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen

johann wolfgang von goethe

Capalbio, Italien – Nana Statue von Niki De Saint Phalle

Dieses Zitat passt sowohl zu Künstlerin Niki de Saint-Phalle als auch zu John Mejia’s Bild über das Attentat in Nizza 2016.

Niki de Saint Phalle, international bekannte Malerin und Bildhauerin der Nana-Figuren hat sich in ihrem Werk der Darstellung der Weiblichkeit gewidmet, ein schmerzhafter Weg zum künstlerischen Ausdruck. In ihrer Kindheit erfuhr Niki Gewalt durch den eigenen Vater, die sie so sehr belastete, dass allein die Kunst einen Ausweg aus ihrer psychischen Bedrängnis bot. Sie begann ihren künstlerischen Weg mit der Aufarbeitung des Schmerzes um schließlich in der Darstellung der Weiblichkeit ihren Frieden zu finden. Niki de Saint Phalle wählte schon früh den positiven Weg. Mit ihren berühmten Nanas huldigte sie die Weiblichkeit und stärkte so die Position der Frau in der Kunst wie in der Öffentlichkeit. Auf ihre Art kann die Künstlerin als Frauenrechtlerin gesehen werden.

Doch um dorthin zu gelangen, musste sie einen steinigen Weg gehen“, erzählt mir Gastgeberin Marie-Theres Michel

Kunsthistorikerin Marie-Theres Michel, die charismatische Wienerin, deren Leben sich von Kindheit an um Kunst dreht, hat zu diesem ART-TALK in ihr Privathaus ihren innersten Circle geladen. Kunst am Leben zu halten – gerade jetzt in der Krise – ist ihre Mission, denn Kunst ist ein großer Teil ihres Lebens. Schon der Großvater war Kunstmaler und auch „Mares“, wie sie von Freunden genannt wird, hat nach dem Abitur in Wien Kunstgeschichte studiert. Der Liebe wegen sei sie nach Frankreich gegangen und die Liebe zur Kunst habe sie beflügelt, hier an der französischen Riviera hochkarätige Kunst-Events zu veranstalten, die mittlerweile unter dem Namen rivieraARTevents einen eliltären Zirkel von über 1.000 Kunstliebhaber erreichen. Im sehr persönlichen Interview auf der sonnigen Terrasse ihre Hauses in Mouans-Sartoux erfahre ich die ganze Geschichte:

Marie-Theres Michel: „Ich habe in Wien Kunstgeschichte studiert und bin dann im Jahr 2000 nach Frankreich gekommen. Aber schon ab dem zweiten Semester habe ich angefangen, in einer Galerie zu arbeiten. Als wir nach Paris übersiedelten, habe ich dort die Leitung einer Kunstgalerie übernommen.

Warum bist Du überhaupt nach Frankreich gekommen?

M.-T.M: „Der Liebe wegen. Ich habe meinen Mann am Flughafen kennengelernt. Später sind wir eben dann nach Paris und als die Kinder kamen, gingen wir nach Südfrankreich. Wir haben hier unser Haus gebaut und als alles gesettled war, habe ich mir überlegt, wie ich hier weiter künstlerisch tätig sein kann.“

Welche Möglichkeiten gab es?
M.T.: „Wenn du mal am großen Kunstmarkt tätig warst, weißt du, es spielt sich alles in den großen Metropolen ab. Hongkong, Shanghai, Miami, Paris, Berlin…Hier eine Galerie aufzumachen hätte sich nicht ausgezahlt. Die Menschen kommen hierher, um Urlaub zu machen, um in ihren Häusern zu leben oder auf ihrer Yacht zu sein.“

Da mich vor allem zeitgenössische Künstler faszinieren, die der Welt ewas weitergeben wollen und etwas Neues bringen, fing ich an, Kunstevents zu veranstalten. Inspiriert wurde ich von Freunden. Meine Motivation ist immer: ‚Wie kann ich Kunst weitervermitteln‘?! Ich organisiere Kunstausflüge, Privatsammlungen, Ausstellungen, Matinéen, Art-Dinner oder Art-Talks. Das Schöne ist, dass ich das Gefühl habe, Kunst weitergeben zu können.

Wie fingst Du an?
M.T.M.: „Der gemeinsame Nenner war immer Kunst. Der Verteiler ist gewachsen. Begonnen habe ich im Jahr 2014 mit 10 Freundinnen. Die sagten: „Mach was!“ Aus diesen 10 sind 1.000 gewachsen. Ich veranstalte zudem ein- bis zweimal im Jahr eine Kunstreise: z.B. einen Daytrip, dann fliegen wir nach Paris und schauen uns eine Ausstellung an.“ www.rieverartevent.com

Was an Künstlern ist Dir wichtig?

M.T.M.: „Wie weit bewegt er etwas? Es ist natürlich auch immer subjektiv, geht aber auch um die objektive Kreation. Die Impressionisten beispielsweise waren die ersten, die Impressionen eingefagen haben. Das finde ich spannend, wenn Künstler so weit gehen und etwas durch Kunst weitervermitteln können.“

Was fasziniert Dich an Künstlerin Niki de Saint-Phalle?
M.T.M.: „Sie ist eine beeindruckende Künstlerin. Sie hat alle Konventionen über Bord geworfen, hat für die Kunst sogar Mann und Kinder verlassen, weil sie ihr wichtiger war als alles andere. Jeder hat eine Motiviation, aber dass jemand so besessen sein kann von Kunst, das fasziniert mich sehr.“

Die Krise hat vor allem die Kunstszene und mit ihr die Künstler stark getroffen. Durch Dein unglaubliches Engagement konnte trotzdem einiges stattfinden…
M.T.M.:
„Im letzten Jahr habe ich versucht, Kunst weiter am Leben zu halten. Der Künstler ist der Leittragende. Ob bildende Kunst, darstellende Kunst oder Musik. Kunst muss weiter vermittelt werden! Ich begann Kunstkonferenzen für kleine Gruppen zu veranstalten, Kunstmatineen. Habe eine sogenannte Mini-Bühne geschaffen, Musiker eingeladen.“

Wie waren die Reaktionen darauf?

M.-T.M: „Extremst emotionsgeladen. Wir hatten unglaubliche Momente. Uns standen die Tränen in den Augen. Auch welche Emotionen das bei den Musikern ausgelöst hat… Ein Musiker konnte ja nur noch vor seinem eigenen Spiegel singen.“

Warum können wir auf Kunst nicht verzichten?

M.T.M.: „Wir brauchen eine Welt, in der wir träumen können. Kunst schafft eine Welt, in der uns das ermöglicht wird.“

Ich hörte im Radio von dem Attentat, mein Bild entstand innerhalb zwei Minuten aus meiner Vorstellung – ohne dass ich überhaupt schon Bilder in den Medien gesehen hatte. Meine Frau schickte das Bild an „Le Monde“ – die größte französische Tageszeitung. Und „Le Monde“ sendete es innerhalb von Minuten in die ganze Welt hinaus.

Kunst verbindet – im besten Falle entstehen daraus sogar Freundschaften. Gucky Bridant, die schon drei Gemälde von John Mejia erworben hatte, verliebte sich sozusagen in ein weiteres Kunstwerk, welches sie in einer Galerie sah. Durch einen Zufall lernte sie dann auch den Künstler selbst kennen und sie wurden Freunde. Im schattigen Garten von Guckys Haus versuchen wir ein lebendiges mehrsprachiges Interview zu dritt – ein Mischmasch aus französisch, englisch und deutsch. Der Künstler – John ist Kolumbianer – spricht nur spanisch und französisch und Gucky übersetzt, wenn meine Französischkenntnisse nicht ausreichen.

Gucky Bridant: „John arbeitet viel aus seiner Phantasie, aus seiner Vorstellung heraus. Er hat den Mut, sehr schnell – innerhalb Minuten – großartige Bilder zu malen. Sein Stil ist eher figurativ, er verwendet Aquarell. Er ist sehr schnell, hat alles im Kopf.

John, seit wann bist du hier in Frankreich?

Ich komme ursprünglich aus Kolumbien und kam 1998 zur WM nach Frankreich. Seitdem lebe ich hier. Seit meinem dritten Lebensjahr male ich. Ich hatte immer den Wunsch zu malen, mich hat nie etwas anderes interessiert, obwohl niemand aus meiner Familie malt oder mich an die Kunst herangeführt hat. Ich kann nicht anders. Erst habe ich hier als Bauingenieur gearbeitet, aber seit zwei Jahren kann ich von meiner Kunst leben.

Wie kam es dazu und welche Bedeutung hat das Attentat in Nizza?

J.M.: „100 Personen sind damals durch das Attentat ums Leben gekommen. Es war ein schreckliches Ereignis. Ich hörte im Radio in den Nachrichten davon. Innerhalb zwei Minuten entstand das Bild – ohne dass ich in den Medien Bilder gesehen hatte. In diese Zeichnung verarbeitete ich auch die schrecklichen Bilder zur Zeit des kolumbianischen Drogenkrieges aus meiner Kindheit.

G.B.: „All the violence is in the picture. Jemand bot John 18.000 Euro für die Zeichnung, aber er schlug es aus. Tage später war das Bild in allen Zeitungen und John beschäftigt, Interviews zu geben: Figaro, Le Monde, Nice Matin, die Medien überschlugen sich. Dadurch wurde die ganze Welt auf ihn aufmerksam. Besonders begehrt sind seine Porträts und Fußballstars wie Ronaldinho oder Zinedine Zidane haben sich von ihm porträtieren lassen. Als besondere Auszeichnung durfte John eine Briefmarke gestalten für das Louis de Funès-Museum in Saint-Tropez.“

Kunst verbindet. Ich habe drei außergewöhnliche Menschen kennengelernt. Wenn ich im Juli wiederkomme freue ich mich auf ein Wiedersehen.

Hat Euch mein Beitrag gefallen? Ich freue ich sehr auf Euer Feedback.

Liebste Sommergrüße,

Eure
Michaela

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1 Kommentar

  • Sabrina Gall
    17. Juni 2021 at 9:38

    Schön dass es Menschen gibt, die die Kunst am Leben erhalten! Liebe Michaela, vielen Dank, dass Du mich beim Lesen auf diese Reise mitgenommen hast. Mich bewegen die Einblicke in die persönlichen Geschichten dieser Künstler über die Du hier schreibst. Ich träume jetzt davon eines Tages auch mal dorthin zu reisen.

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